Donnerstag, 25. April 2024

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AK und GKK OÖ warnen: Mit der Kassenfusion droht die größte Enteignung

Unter dem Deckmantel „Reform“ will die Regierung die Krankenkassen zusammenlegen. Bereits Anfang 2019 sollen die Zwangsübernahmen eingeleitet, die Versichertenvertreter/-innen ausgehebelt sein. Sparen ist dabei nur ein Vorwand. In Wirklichkeit geht es um politische Kontrolle. Die Eigentümerinnen und Eigentümer – das ist nicht die Regierung, sondern das sind 8,7 Millionen Versicherte österreichweit und 1,3 Millionen allein in Oberösterreich – sollen damit ausgeschaltet werden. Damit handelt es sich um die größte Enteignung in der Geschichte Österreichs. Grund zur Sorge besteht auch hinsichtlich unseres Gesundheitssystems. Mit den Zusammenlegungen drohen Verschlechterungen in der Versorgung und in der Qualität der Maßnahmen. Stark betroffen wäre vor allem Oberösterreich, denn die gut wirtschaftende oberösterreichische GKK würde künftig mitsamt ihren Rücklagen und ihren guten Beitragseinnahmen in einer zentralen Österreichischen Gesundheitskasse aufgehen. Arbeiterkammer und Gebietskrankenkasse Oberösterreich fordern die Regierung auf, die vorliegenden Pläne umgehend zu stoppen und stattdessen zu gemeinsamen Überlegungen einzuladen, wie unser Gesundheitssystem verbessert werden kann.

Das Ende eines jahrzehntelangen Erfolgsmodells

Macht die Bundesregierung ihre Ankündigungen wahr, so wird demnächst mit einem Federstrich ein jahrzehntelanges Erfolgsmodell, das System der Krankenversicherung, in seinen Grundfesten erschüttert. Unter dem Deckmantel von Kosteneinsparungen sollen aus 21 Sozialversicherungsträgern nur noch fünf werden. Die neun Ländergebietskrankenkassen werden dann zu einer Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) fusioniert. Damit naht das Ende der demokratischen Selbstverwaltung, auf deren Prinzip die österreichische Krankenversicherung basiert: Der Staat kann einem bestimmten Personenkreis die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben übertragen, wenn dadurch gemeinsame Interessen der Betroffenen kollektiv gewahrt werden können. In der Krankenversicherung setzt sich dieser Personenkreis aus den Versicherten zusammen. Sie wählen und bestellen aus ihren Reihen Funktionäre/-innen. Die Betroffen verwalten somit ihre eigenen Interessen und das ist gut so: Denn nur die Betroffenen wissen am besten über ihre eigenen Bedürfnisse und Problemlagen Bescheid. Die Funktionäre/-innen sind Menschen wie Betriebsräte/-innen, Gewerkschafter/-innen aus dem Pflegebereich, Experten/-innen der Arbeiterkammern, Arbeitervertreter aus dem Metallgewerbe etc. Sie wissen um die Anliegen der Versicherten, vertreten diese und treffen wichtige Entscheidungen über die Versorgung der Versicherten.

Ein wesentliches Kriterium für die Selbstverwaltung liegt in ihrer Effizienz. Die Verwaltungskosten der Krankenversicherungsträger in Relation zu den Gesamteinnahmen liegen unter drei Prozent. Umso unverständlicher ist die Ansage der Bundesregierung, die hohen Verwaltungskosten müssten gesenkt werden. Denn sparsamer geht es kaum: Die meisten Funktionäre/-innen arbeiten ehrenamtlich und erhalten lediglich ein Sitzungsgeld in Höhe von 43 Euro. Von derzeit österreichweit insgesamt 955 Funktionären/-innen bekommen lediglich 184 Mitglieder in den Vorständen eine monatliche Funktionsgebühr. Ihre höchsten Amtsträger, die Obleute, erhalten eine Funktionsgebühr in Höhe von rund 4100 Euro monatlich. Angesichts der hohen Verantwortung für das Wohl von 1,4 Millionen Versicherten allein in Oberösterreich kein Vergleich zu den Gagen der Spitzenmanager in der Privatwirtschaft!

Eine Machtverschiebung hin zur Wirtschaft

Kolportiert wird eine Einsparungssumme von einer Milliarde Euro. Woraus sich dieser Betrag zusammensetzen soll, ist bisher nicht durchgedrungen. Bei der geplanten Umstrukturierung ist bisher nur ein Bestreben erkennbar: eine Machtverschiebung zulasten der Arbeitnehmerseite, also der Versicherten, hin zur Wirtschaft.

Die Selbstverwaltung in der Gebietskrankenkasse (Vorstand und Generalversammlung) setzt sich derzeit aus vier Fünftel Arbeitnehmer- und einem Fünftel Arbeitgebervertretern/-innen zusammen. Dass überhaupt Arbeitgeber eingebunden sind, ist nur dadurch zu rechtfertigen, dass die Idee der Selbstverwaltung auf einem sozialpartnerschaftlichen Konsens beruht. Die Arbeitgeber sind in ihrer Rolle als Mit-Beitragszahler in den Gremien vertreten. Sie zahlen zwar die Hälfte der Beiträge in die Krankenversicherung ein – diese sogenannten Dienstgeberbeiträge werden aber aus der Wertschöpfung der Arbeit der Arbeitnehmer/-innen erwirtschaftet. Umgekehrt käme wohl niemand auf die Idee, Arbeitnehmervertreter/-innen in die Selbstverwaltung der Selbstständigen zu entsenden. Da die Dienstgeber als Beitragszahler eingebunden sind und nicht als Versicherte und
Patienten/-innen, ist ihre Rolle in der Selbstverwaltung vor allem auf die Kontrolle und auf Zustimmungsrechte ausgelegt.

Die Bundesregierung möchte nunmehr die Selbstverwaltung paritätisch besetzen: Die Gremien würden sich dann je zur Hälfte aus Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern/-innen zusammensetzen. Eine solche Vorgehensweise widerspricht dem Prinzip der demokratischen Selbstverwaltung zutiefst, wie auch Verfassungsexperten betonen. Denn: Personen von außerhalb der Versichertengemeinschaft der Arbeitnehmer/-innen mit völlig anders gelagerten Interessen würden dann über die Interessen der Betroffenen entscheiden. Künftig würde also die Wirtschaft entscheiden, ob Arbeitern/-innen und Angestellten eine medizinische Versorgung zusteht, ob eine Rehabilitation bewilligt wird oder wie mit Kindern, Alten und Pflegebedürftigen zu verfahren sein wird.

Der oberösterreichische Erfolgsweg in Gefahr

Die Ergebnisse der Kundenbefragung 2017 der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse zeigen, dass 61 Prozent der Versicherten mit den Leistungen sehr zufrieden oder zufrieden sind. So konnte die OÖGKK im Jahre 2017 mit rund 3,4 Millionen Euro wieder einen positiven Jahresabschluss verbuchen. Sie braucht dieses Geld dringend, um die Versorgungsqualität für die Patientinnen und Patienten auch künftig aufrecht zu erhalten. Wichtige Investitionen dafür sind geplant, wie aktuell die Errichtung der Primärversorgungszentren oder der Ausbau der psychischen Versorgung. Dass die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse erfolgreich wirtschaftet, zeigt sich auch an den Verwaltungskosten. Die Verwaltungskosten aller unter dem Dach des Hauptverbandes organisierten Krankenversicherungs-träger kamen im Jahre 2017 auf einen Anteil von 2,7 Prozent in Relation zu den Gesamteinnahmen, die OÖGKK erreichte mit 2,1 Prozent sogar einen noch besseren Wert.

Die Bundesregierung beteuert, es käme zu keinen Leistungskürzungen. Wie das gehen soll, ist allerdings mehr als fraglich. Denn betrachtet man nur den Verwaltungsaufwand aller Krankenversicherungsträger in Österreich in der Höhe von 479 Millionen Euro bei Gesamtausgaben von ca. 18,5 Milliarden Euro, so müsste wohl der gesamte Personalstand auf null gesetzt werden, um dieses Kostenreduktionsziel zu erreichen.

Fest steht: Die vorliegenden Pläne widersprechen sogar diametral den Zielen, die sich die Bundesregierung selbst gesteckt hat. Ein Verwaltungsgigant, wie die geplante „Österreichische Gesundheitskasse“, würde die Verwaltungskosten nachweislich in die Höhe treiben. Es würde viel Geld aus Oberösterreich abfließen.

Tatsächlich wird ein derart großer Umbruch ohne Leistungskürzungen nicht zu bewerkstelligen sein. Bisher waren alle Akteure/-innen in Oberösterreich – einschließlich Landeshauptmann, Gesundheitslandesrat, Sozialpartner – stets stolz auf die brillante Performance der Gebietskrankenkasse, der Ärztekammer, der Primärversorgungszentren etc. Die Versorgung und Qualität muss unbedingt sichergestellt sein und sogar noch besser werden. Dazu muss das Geld der oberösterreichischen Versichertengemeinschaft auch in Oberösterreich bleiben.

Wer draufzahlt bei der sogenannten Reform

Bei der gesamten Diskussion zur Reform der Sozialversicherungsträger wird verschwiegen, dass die Zeche wohl die Arbeitnehmer/-innen bezahlen werden. Es werden von der AUVA massive Einsparungen eingefordert, verschiedene Leistungen sollen von der Unfallversicherung abgezogen werden, wie etwa bei Freizeit-unfällen oder der Zuschuss der AUVA zur Entgeltfortzahlung bei Klein- und Mittelbetrieben. Wer soll diese Leistungen künftig bezahlen? Erfolgen keine Beitragserhöhungen, können diese Budgetlöcher – bei Aufrechterhaltung des Leistungsangebots – nur durch Steuermittel abgedeckt werden. Der Großteil der Steuereinnahmen kommt von den Arbeitnehmern/-innen. Damit liegt die „Lösung“ klar auf der Hand.

Eine Zusammenführung der Krankenversicherungsträger bedeutet eine Zentralisierung. Wer glaubt, dass dadurch Verbesserungen für die Versicherten eintreten, irrt. Die Entscheidungswege werden länger, der bürokratische Aufwand steigt, Länderstellen werden zu Erfüllungsgehilfen degradiert werden. Der kümmerliche Rest der regionalen „Selbstverwaltung“ hätte nach der Kassenfusion kaum noch Spielräume. Einer Zentrale – beispielsweise in Wien – ist es herzlich egal, ob eine Arztstelle in Freistadt oder Frankenmarkt nachbesetzt werden kann, weil es in Wien genug Ärzte gibt.

Es ist geplant, die Gesamtbudgethoheit und die Gebarungsvorschaurechnung der Hauptstelle der ÖGK zu übertragen. Weiters soll die Beitragsprüfung von den Gebietskrankenkassen zur Finanzverwaltung gehen. Ist dies der Fall, drohen noch einmal deutliche Einnahmenausfälle. Die Selbstverwaltung muss daher nicht nur regional bleiben, ihr muss auch die Beitragshoheit und Prüfungsbefugnis zukommen.

„Zwei-Klassen-Medizin“ würde vorangetrieben

Die Bundesregierung hat ohne Begutachtungsverfahren eine Ausgabenbremse bis Ende 2019 für die Krankenversicherungsträger eingezogen. Diese Ausgabenbremse bedeutet für die Gesundheitsversorgung in den kommenden eineinhalb Jahren Stillstand. Diese Ausgabenbremse ist nicht nachvollziehbar, weil alle Krankenversicherungsträger zusammen im Jahre 2017 einen positiven Jahresabschluss von rund 51 Millionen Euro erwirtschaftet haben. Dieses Geld wird dringend benötigt, um die von den Versicherten gewünschte Leistungsharmonisierung unter den Krankenversicherungsträgern voranzutreiben. So konnte beispielsweise der Zuschuss für eine festsitzende Kieferregulierung von 50 auf 70 Prozent erhöht werden. Und es soll für Psychotherapie auf e-card die Wartezeit massiv verkürzt werden. Die Krankenversicherungsträger sind im Rahmen ihrer Selbstverwaltung bereit, Geld in die Hand zu nehmen, um Verbesserungen für die Patienten/-innen zu erreichen. Mit der Ausgabenbremse wird dies nicht mehr möglich sein.

Es scheint, als würde die Bundesregierung damit die Privatisierung unseres solidarischen Gesundheitssystems vorantreiben wollen. Es drohen mehr unbesetzte Ärztestellen, längere Wartezeiten, Leistungskürzungen, eine Verschlechterung bei der Zusammenarbeit zwischen allen Versorgungspartnern, schwerfällige Entscheidungswege und vieles mehr. Die Bundesregierung hat sich in ihrem Regierungsprogramm eine Evaluierung aller bestehenden Selbstbehalte vorgenommen – die Ausgabenbremse dürfte der erste Schritt sein, die private Kostenbeteiligung für die Patienten/-innen an den Gesundheitsleistungen zu erhöhen.

AK sagt Nein zur Zusammenlegung, Ja zur Selbstverwaltung

Die Arbeiterkammer und die Gebietskrankenkasse Oberösterreich sprechen sich aus all den genannten Gründen klar und deutlich für die Beibehaltung der demokratischen und regionalen Selbstverwaltung in der Krankenversicherung aus. Aus Sicht der Arbeiterkammer darf es zu keiner Zusammenlegung kommen. Die in Oberösterreich erwirtschafteten Beitragseinnahmen und die hier vorhandenen Leistungsreserven müssen für die oberösterreichische Versorgung zur Verfügung stehen.

Die Versicherten sind bei ihrer Gebietskrankenkasse bestens aufgehoben und
bekommen alle Leistungen, die sie brauchen in hoher Qualität und in bester
Abstimmung. Dies ist nur mit vollwertigen Einrichtungen und kompetenten
Menschen vor Ort möglich und ganz sicher nicht durch eine schwerfällige
Zentrale und deren Vorgaben aus der Ferne.

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